In Wien wird viel für ältere Menschen getan — seit einigen Jahren spannt etwa die Plattform Demenzfreundliches Wien einen Bogen über alle Bezirke, Organisationen und Initiativen, die sich mit dem Thema Demenz und Demenzfreundlichkeit beschäftigen. Als erste demenzfreundliche Schule kam vor rund fünf Jahren das Gymnasium Sacré Coeur Wien dazu.
Der 3. Bezirk feiert heuer stolz sein 10-jähriges Jubiläum als demenzfreundlicher Bezirk. Als erste Schule schloss sich hier in Wien Landstraße vor rund fünf Jahren das Gymnasium Sacré Coeur Wien an. Es geht darum, die Stadt für Menschen mit Demenz so zu gestalten, dass eine echte Teilhabe am sozialen Leben auch mit Demenz möglich bleibt.
Bewusstseinsbildung: Sozialpraktische Tage im Altersheim
In Wien leben nach Angaben der Stadt aktuell etwa 30.000 Menschen mit einer Demenzerkrankung, bis 2050 soll sich diese Zahl verdoppeln. „Gerade deswegen ist es so wichtig, dass auch Kinder und Jugendliche sich mit diesem Thema auseinandersetzen“, sagt dazu Sr. Gudrun Schellner, die seit über 30 Jahren als Pädagogin am Gymnasium Sacré Coeur Wien unterrichtet. „Denn das Thema wird uns alle immer stärker betreffen. Ein gutes Leben mit Demenz sollte also eine Selbstverständlichkeit sein in einer solidarischen und von Empathie getragenen Gesellschaft. Es geht letztlich um Bewusstseinsbildung bei allen Menschen, auch den Jungen.“
Der Umgang mit dementen Menschen ist nicht immer einfach und will durchaus gelernt sein. Am Gymansium Sacré Coeur Wien wird das Thema in der Theorie, vor allem aber auch in der Praixs behandelt. „Im vorigen Jahr habe ich mit meiner damaligen 4. Klasse statt der berufspraktischen Tage ‚sozialpraktische Tage‘ durchgeführt“, erzählt Sr. Gudrun. „Gemeinsam mit Young Caritas sollten die Schülerinnen und Schüler sich eine soziale Einrichtung für ein einwöchiges Praktikum suchen. Einige waren in Altersheimen“, sagt die engagierte Pädagogin.
Vorab habe es für die Schüler:innen eine bewusste Einführung und Vorbereitung gegeben, denn gerade auch junge Menschen müssten den Umgang mit Demenz erst lernen. „Und im Anschluss an die Sozialpraktischen Tage haben wir einen Vormittag der Aufarbeitung und Reflexion gewidmet. Es ging darum, das Erlebte mit den anderen zu teilen.“ Neben Alters- und Pflegeheimen verbrachten Sr. Gudruns Schüler:innen ihre sozialpraktischen Tage etwa auch in sonderpädagogischen Zentren oder unterstützen das Caritas-Projekt Garderob 137.
Herzstück Compassion-Projekt
Ein Herzstück der Beschäftigung mit dem Thema Demenz sei sicher das Projekt „Compassion“, berichtet die Pädagogin Corinna Matousek vom Gymnasium Sacré Coeur Wien. Es findet jedes Jahr in den 7. Klassen der Schule statt — die Schüler:innen verbringen zwei ganze Wochen in einer sozialen Einrichtung. Sehr oft seien das Alters- und Pflegeheime, wo viel Zeit mit Senior:innen verbracht werde, erzählt Matousek. „Bevor unsere Schüler:innen in die Einrichtungen gehen, haben sie Workshops zur Vorbereitung, in denen sie viel über Demenz und über den Umgang mit Demenzbetroffenen lernen.“
Im Nachgang folge ein Erfahrungsaustausch, eine Reflexion des Erlebten so Matousek. Auch die Vorbereitung eines Gespräches mit den nachfolgenden Klassen sei ein sehr wichtiger Punkt im Rahmen des Compassion-Projekts. Es gehe etwa darum, zu formulieren, was für die Schülerin oder den Schüler persönlich besonders bedeutsam und wertvoll war. Damit der nächste Jahrgang des Gymnasiums vom Erfahrungsschatz der Schulkolleg:innen profitieren könne.
Auch im regulären Unterricht wird das Thema behandelt, wie Pädagogin Matousek weiter erzählt. „Im Psychologie- und Philosophieunterricht geht es um die verschiedenen Formen von Demenz und um die biologischen Hintergründe der Krankheit. Wir arbeiten auch mit einem ‚Alterssimulator‘ oder setzen uns mit bekannten Persönlichkeiten, die von Demenz betroffen waren oder sind, auseinander. Ebenso werden im Religionsunterricht immer wieder Bezüge hergestellt“, sagt die Sacré-Coeur-Lehrerin.
Chor und Orchester bei demenzfreundlichen Gottesdiensten
Und schließlich gibt es auch einen musikalischen Beitrag der Schule: Chor und Orchester des Gymnasiums begleiten immer wieder „demenzfreundliche Gottesdienste“. Diese werden in Wien von unterschiedlichen Akteur:innen und Pfarren gestaltet, informieren meist begleitend zum Thema und wenden sich an alle Menschen, vor allem auch an Betroffene und Angehörige. Gerade der Musik kommt hier eine besondere, verbindende Rolle zu.